Ein Lächeln, oft auch ein Grinsen oder aber ungläubiges Kopfschütteln sind meist die erste Reaktion auf den Mannheimer Kodex. „Kinderstuben-Kodex“ nennen ihn die einen, „Papiertiger“ andere Kritiker. Doch der Großteil der Mannheimer Gemeinderäte steht zu den Verhaltensregeln, die sie sich selbst für ihre Sitzungen auferlegt haben. „Natürlich sind es Selbstverständlichkeiten“, sagt der FDP-Fraktionsvorsitzende Volker Beisel. „Aber im Knigge stehen auch Selbstverständlichkeiten – und dies ist der Knigge des Gemeinderats.“ Sein Kollege von der CDU, Carsten Südmersen, ergänzt: „Dadurch, dass man es mal zu Papier gebracht hat, ist es präsenter.“
Acht Gebote
Mit acht Geboten wollen die Räte der Quadratestadt zur neuen Legislaturperiode für mehr Disziplin in ihren Sitzungen sorgen. Die Inhalte des Verhaltenskodex klingen selbstverständlich: Pünktlichkeit ist Regel Nummer zwei, „Ich höre während der Sitzung aufmerksam zu“ lautet Regel Nummer fünf. „Ich bin in meiner Kritik konstruktiv“ oder „Ich schränke die Selbstprofilierung auf das notwendige Maß ein“, lauten weitere Verpflichtungen.
Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD) bat die Ratskollegen bei der konstituierenden Sitzung zur Unterschrift – und mit Ausnahme der Mitglieder der „Mannheimer Liste“ (ML) machten alle mit. „Derartige Selbstverpflichtungen sind uns nur aus Glaubensgemeinschaften, bei Schneeballsystemen und aus der DDR bekannt“, begründeten sie ihre Ablehnung. „Das ist Kindergarten“, ergänzt der ML-Vorstandsvorsitzende Holger Schmid. Für ihn ist das Regelwerk ein „Papiertiger“ – zumal es keine Konsequenzen gibt. „Wenn es wenigstens eine Sanktion gäbe“, meint Schmid. Er räumt allerdings auch ein, dass die Situation dann wirklich an Kindergarten oder Schule erinnern würde.
Innovativer Kodex
Unterstützung erhalten die Mannheimer Kommunalpolitiker vom Städtetag Baden-Württembergs: Dezernent Norbert Brugger, zuständig für Kommunal- und Verwaltungsrecht, bewertet den Kodex als innovativ. Er sei in jedem Fall eine Neuerung in der kommunalen Landschaft. „Es ist begrüßenswert, dass Mannheim den Versuch unternommen hat, auf diese Art Zwischenmenschliches zu regeln“, meint Brugger. „Und es ist mutig, dass man das Lächeln der anderen auf sich nimmt.“ Seiner Ansicht nach ist der Kodex alles andere als lächerlich. „Es geht um einen sachlichen und menschlichen Umgang“, betont der Dezernent. „Wir werden uns in unseren Gremien mit Sicherheit von Mannheims Erfahrungen berichten lassen.“
Bleibt abzuwarten, wie dann andere Städte und Gemeinden reagieren. Bislang lehnen die meisten Kommunen ein derartiges Regelwerk ab, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur dpa ergab. Für den Mannheimer FDP-Politiker Beisel hat der Kodex jedoch einen ganz praktischen Vorteil: Auch die Verwaltung kann damit zur Disziplin gezwungen werden. Denn Vorschrift Nummer eins lautet: „Ich bereite mich sorgfältig auf die Sitzungen vor.“ Dies sei aber nur möglich, wenn die Unterlagen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten rechtzeitig vorlägen. „Das ist in der Vergangenheit aber häufig nicht der Fall gewesen“, berichtet Beisel. „Oft kommen die Sachen erst am Abend vor der Sitzung. Da fehlt einem als Ehrenamtlicher die Zeit, sich ordentlich vorzubereiten.“
Schatten der „Froschkönig-Affäre
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Stefan Fulst-Blei sieht in dem Kodex zudem ein Symbol für das Ende eines wenig rühmlichen Kapitels der Mannheimer Kommunalpolitik im Schatten der „Froschkönig-Affäre“. Sie war 2005 der Höhepunkt innerparteilicher Querelen der CDU. Damals waren der frühere CDU-Kreisverbandschef Klaus Dieter Reichardt und Parteikollegen im Internet von Kollegen mit anonymen Schmähschriften bedacht worden. Infolge der Affäre trat der CDU-Kreisvorstand im April 2006 geschlossen zurück. Im Schatten dieser Affäre habe es einen „politischen Bürgerkrieg“ gegeben, meint Fulst-Blei. „Da tut es gut, wenn wir uns nun verpflichten, anständig miteinander umzugehen.“