Mannheim. Schon bevor bei der RNF-Wahlparty die 18-Uhr-Prognose verlesen wird, steht für so manchen Besucher der Wahlverlierer bereits fest. Die SPD wird abstürzen, sagt eine 47-Jährige. Die Inhalte von CDU und SPD hätten sich zu sehr vermischt, und viele potenzielle Anhänger kämen nicht über die Agenda 2010 hinweg. Auch ein 20-Jähriger prognostiziert den Sozialdemokraten bereits im Vorfeld ein schwaches Abschneiden, viele haben sie auch künftig allenfalls als Juniorpartner auf der Rechnung. Die Wahrscheinlichkeit ist recht groß, dass die Große Koalition fortgesetzt wird, sagt eine 57-Jährige, während im Ratssaal die Red Hot Dixie Devils auf einer herbstlich geschmückten Bühne entspannte Jazz-Musik spielen. Aber noch viel wahrscheinlicher ist meiner Ansicht nach Schwarz-Gelb.
Genau das bestätigen kurze Zeit später auch die Zahlen, die RNF-Chef Bert Siegelmann vorliest. Die 18-Uhr-Prognose kommt im Stadthaus allerdings mit zehn Minuten Verspätung, sie wird vorgelesen, ist nicht auf dem großen Bildschirm hinter der Bühne zu sehen. Bei vielen Gästen sorgt das für Ärger, sie verlassen den Ratssaal, die Reihen lichten sich deutlich, wenig später herrscht gähnende Leere. Doch schon bei den ersten Zahlen bewahrheitet sich der vorausgesagte SPD-Absturz. Bei 23,5 Prozent sieht die ZDF-Prognose die Sozialdemokraten, auch die CDU muss mit 33,5 Prozent ein Minus hinnehmen. 14,5 Prozent stehen bei der FDP, 13 bei der Linken, zehn bei den Grünen.
Ein super enttäuschendes Ergebnis. Matthias Kohler, stellvertretender SPD-Kreisvorsitzender, weiß nicht recht, was er sagen soll. Auch Stefan Fulst-Blei, SPD-Fraktionschef im Gemeinderat, spricht von einem ernüchternden Ergebnis. Auf der großen Leinwand flimmert inzwischen das erste Wahlergebnis vom Scharhof. Nur ein kleiner Stadtteil, aber hier sackt die SPD von knapp 40 Prozent vor vier Jahren auf jetzt knapp 16 Prozent ab.
Die SPD wird sich auf ihrem Kerngebiet, der sozialen Gerechtigkeit, von unten herauf erneuern müssen, sagt Fulst-Blei. Er und Kohler hoffen zu diesem Zeitpunkt noch auf ein gutes Ergebnis für ihren Kandidaten Stefan Rebmann. Doch der gibt um 19.30?Uhr den Kampf ums Direktmandat gegen Egon Jüttner verloren.
FDP-Anhänger Nicolai Sleegers lehnt an einem der Stehtische, in seinen Händen hält er gelb-blaue Fähnchen. Er freut sich über die Zugewinne seiner Partei, trotzdem ist er nicht ganz zufrieden. Ich habe mit noch mehr gerechnet. Helmut Eck, Anhänger der Linken, ist dagegen vollauf zufrieden. Vor der Brust trägt er eine Tafel mit dem Linken-Parteilogo. Heute werde man einfahren, wofür man lang gekämpft habe, hat er schon vor der ersten Prognose durch den Saal gebrüllt.
Im Grünen-Lager dagegen ist man leicht zerknirscht. Wir haben zwar zugelegt, aber ich hätte mir schon etwas mehr erwartet, sagt Mannheims Grünen-Fraktionschef Wolfgang Raufelder. Sein CDU-Kollege Carsten Südmersen dagegen ist mit dem Ergebnis zufrieden. Angela Merkel bleibt Kanzlerin, Schwarz-Gelb kann die Große Koalition ablösen. Nicht wenige im Stadthaus waren schon vor 18 Uhr davon ausgegangen.