Nicht mal ein Drittel der geplanten 1500 Plakatständer stehen, und sie haben schon eine immense Wirkung – wenn auch anders als gedacht. Sie haben eine Welle der Kritik ausgelöst. Viele Bürger lehnen die etwa 1,1 Millionen Euro teuren Halterungen ab, der Verein Stadtbild sieht „das Gesicht der Stadt auf Dauer verändert“. Die Reaktionen der Politik fallen unterschiedlich aus. Während SPD und CDU das Projekt verteidigen, ernten sie von FDP und Grünen Unverständnis. Auch der SPD-Ortsverein Neckarau übte bereits Kritik.
Das Rathaus zeigte sich gestern erst nach über siebenstündiger Bedenkzeit in der Lage, auf eine Anfrage mit einer schriftlichen Mitteilung am Abend zu antworten. Darin heißt es, dass „in Anbetracht der breiten Zustimmung des Gemeinderates und der abgestimmten Vorgehensweise bei der Ermittlung der Standorte die laut gewordenen kritischen Stimmen überraschend und so weder vorhersehbar noch nachvollziehbar“ seien. Die Reaktion der Bürger, in deren Umgebung keine Werbung hing, wo jetzt aber neue Ständer aufgestellt werden, habe mit dem „ungewohnten Anblick“ zu tun.
„Wir haben doch schon bei dem Beschluss im Gemeinderat unseren Unmut geäußert, besonders über die Monopolisierung“, sagt FDP-Fraktionschef Volker Beisel. „Wenn wir gewusst hätten, wie schlimm das wird, hätten wir uns noch mehr gewehrt.“ Kritik, die die beiden großen Fraktionen so nicht gelten lassen wollen. „Ich rate zu einer gewissen Gelassenheit“, sagt SPD-Fraktionschef Dr. Stefan Fulst-Blei, auch wenn er sich von der Dichte selbst etwas überrascht zeigt. „Aber wir sind uns doch einig, dass das wilde Plakatieren Mist ist“, grundsätzlich sei der Gedanke, jetzt weniger, dafür aber größere Halterungen zur Verfügung zu stellen, richtig. „Im Zweifel kann man dann noch über einzelne Standorte reden“, so Fulst-Blei. Im Übrigen sei die Auswahl der Standorte Sache der Verwaltung gewesen. Das betont auch CDU-Fraktionschef Carsten Südmersen, und er kritisiert, dass nicht mehr über die Gründe geredet würde, warum man überhaupt Metallständer aufstellen lässt. „Weil es die Sauberkeit enorm verbessert. Mir gefallen sie jedenfalls besser als die 5000 wilden Plakate bisher.“
Die Grünen haben den Beschluss über die „Neuorganisation der Werbung im öffentlichen Raum“ im April vergangenen Jahres, bei dem es auch um die Plakate ging, mitgetragen. Dennoch kritisiert Matthias Meder jetzt „das Vorgehen bei der Auswahl der Standorte sowie die Standorte an sich“. Folge sei keine Auf-, sondern eine Abwertung des Stadtbilds. „Weder wurden Bürger gefragt, ob sie dies wollen, noch wurden Vertreter der Stadtteile bei der Auswahl der Standorte beteiligt“, kritisiert Volker Keller vom Verein Stadtbild. Die Ständer selbst hält er für eine „ästhetische Katastrophe“.
Volker Beisel schätzt die Schilder an einigen Stellen gar als ein „Sicherheitsrisiko“ im Straßenverkehr ein, weil sie die Sicht versperrten. Hoffnung, dass sich grundsätzlich noch etwas ändern ließe, macht er sich indes nicht. „Da gibt es wohl keine Lösung mehr.“ Der Verein Stadtbild dagegen will noch nicht aufgeben. Er schlägt vor, in schon ausgehobene Gruben Bäume zu pflanzen. Wenn das Geld dafür nicht reiche, so Keller, könne sich das Rathaus gerne an den Verein Stadtbild wenden.