Kaiserring-Boulevard: Heftige Auseinandersetzung im Ausschuss über Rolle des Pkw-Verkehrs
So giftig, so spitz und so aggressiv war die Stimmung in einem Gremium des Gemeinderats schon lange nicht mehr: Die Pläne, dem Kaiserring mehr Aufenthaltsqualität zu geben, ihn als Verkehrs- und als Aufenthaltsraum zu gestalten, ließen gestern Abend im Ausschuss für Umwelt und Technik die Wogen hoch schlagen. Nachdem CDU und ML mehr als deutlich machten, dass sie den vorliegenden Entwürfen nicht zustimmen wollen, brandeten die unterschiedlichen Meinungen mit einer solchen Heftigkeit aufeinander, dass Bürgermeister Lothar Quast sich als Sitzungsleiter genötigt sah, das Thema zu vertagen und eine weitere Erörterung zusammen mit den Planungsbüros anzuberaumen. Wie vorauszusehen schieden sich die Geister an der Frage, welchen Stellenwert der motorisierte Individualverkehr künftig auf der wichtigen Verkehrsachse des Rings einnehmen sollte. Die CDU sieht, wie Konrad Schlichter es formulierte, den Ring von einem „Verkehrs-Kollaps“ bedroht, sollten tatsächlich Fahrspuren zugunsten von Radwegen und Aufenthaltsräumen zum Flanieren zurückgenommen werden: „Eine schädliche Planung für die Innenstadt und ihre Erreichbarkeit“ sehen die Christdemokraten daher in den Entwürfen, man sei in „tiefer Sorge“ ob solcher Weichenstellungen – und lehne die Vorlage eindeutig ab. Gerade durch die Reduzierung des Pkw-Verkehrs steigere man ja die Attraktivität der Innenstadt, hielt Gerhard Fontagnier von den Grünen dagegen, und sein Parteifreund Wolfgang Raufelder wollte gar wissen, ob die CDU denn sämtliche Verkehrsentwicklungspläne vergessen habe: „Dort ist das Zurücknehmen des Individualverkehrs doch erklärtes Ziel“. Thomas Trüper (Linke) sah in der CDU-Haltung gar einen Art Rücksturz in die Verkehrsvergangenheit: „Der absolute Vorrang des Autos, das waren die 50er Jahre, die Zukunft muss anders aussehen“. ML sieht „Vertreibung“ Und zwar so, wie auf dem „Boulevard Kaiserring“, wo Schiene, Straße, Rad- und Fußgängerwege in größerer Gleichberechtigung nebeneinander Platz finden, wie Dr. Boris Weirauch (SPD) forderte. Die Rücknahme zweier Fahrspuren sei doch keine Ideologie-Frage, so seine Offensive gegen die CDU. Die erhielt nicht ganz unerwartet Unterstützung von der ML. Stadtrat Rolf Dieter fuhr schweres Geschütz auf: „Die Stoßrichtung der Verkehrspolitik ist klar: So viele Autos wie möglich vertreiben aus der Stadt“. Man trage allenfalls die Entwürfe für die Tattersall-Gestaltung – mehr Grün, Wegnahme von Mobiliar, Reduzierung von Spuren – mit, „aber keinesfalls die für den Ring“. So wie die jetzt sind, kommt auch von der FDP kein Ja – Volker Beisel: „Wir verweigern uns nicht, aber ich sehe noch sehr viele Kritikpunkte, etwa in den Querungen“. Man will also weiter im Gespräch bleiben – Zeit genug hat man ja, denn Geld für den Boulevard-Umbau gibt es nicht vor 2015.
Mannheimer Morgen 25. Januar 2012