Videoüberwachung: Während die Grünen die sofortige Abschaltung wollen, ruft die CDU nach einer Änderung des Polizeigesetzes
Mannheimer Morgen – Samstag, 09.06.2012 – Von unserem Redaktionsmitglied Timo Schmidhuber
Die Debatte um die Videoüberwachung in Mannheim ist wieder voll entfacht – und die Positionen könnten gegensätzlicher kaum sein. Während die Grünen im Gemeinderat die beiden Kameras auf dem Bahnhofsvorplatz sofort abschalten wollen, fordert die CDU-Fraktion die Änderung des Landespolizeigesetzes. Damit will sie den Einsatz der Filmgeräte dauerhaft gewährleisten.
Die Überwachung auf öffentlichen Plätzen ist nur an Kriminalitätsbrennpunkten erlaubt (siehe Infobox). Seit der Installation der Kameras ist die Zahl der Straftaten vor dem Bahnhof allerdings stetig gesunken, wie die Polizei mitgeteilt hatte. Bei einem weiteren Rückgang in diesem Maß stelle sich die Frage, ob die Geräte abgeschaltet werden müssen, hieß es aus dem Präsidium (wir berichteten).
Die CDU-Fraktion will genau das verhindern. „Aus unserer Sicht hat sich die Videoüberwachung auf einigen öffentlichen Plätzen Mannheims als sehr wirkungsvoll erwiesen“, sagt ihr sicherheitspolitischer Sprecher Steffen Ratzel. Leider erlaube das Polizeigesetz dies nur an Kriminalitätsbrennpunkten. „Das führt dann groteskerweise dazu, dass durch den wirkungsvollen Einsatz der Kameras diese sich selbst ins rechtliche Aus manövrieren.“ Seine Fraktion verlangt deshalb von der grün-roten Landesregierung, das Gesetz zu ändern – damit an „neuralgischen Punkten“ auch weiterhin gefilmt werden darf. „Nur so kann man erreichen, dass diese Plätze sich nicht nach und nach wieder zu Horten von Kriminalität entwickeln.“ Die Mannheimer Liste sieht die Videoüberwachung ebenfalls als wichtiges Mittel für eine sichere Stadt – erst kürzlich hatte sie sich für eine Ausweitung ausgesprochen.
Im Gegensatz dazu glauben Grüne und FDP nicht an die Wirkung der Kameras. „Wir freuen uns über den Rückgang der Fallzahlen auf dem Bahnhofsvorplatz sehr“, sagt FDP-Fraktionschef Volker Beisel. „Doch dieser Erfolg ist aus unserer Sicht nicht der Videoüberwachung zuzurechnen.“ Beisel verweist auf Paradeplatz, Marktplatz und Neckartor, wo die Kameras 2008 abgeschaltet wurden. „Seitdem hält sich das Kriminalitätsniveau in diesen drei Bereichen auf fortdauernd niedrigem Niveau.“ Der Liberale sieht den Grund dafür unter anderem in einem generellen Rückgang der Kriminalität im Land. Tatsächlich ist die Zahl der Delikte zwischen 2007 und 2010 auch in Mannheim um rund zwölf Prozent gesunken. 2011 gab es dagegen wieder ein Plus von knapp vier Prozent.
Die Grünen halten die Art der Debatte um die Videoüberwachung für falsch. „Einzig auf die sinkenden Fallzahlen am Hauptbahnhof zu verweisen und die Gesamtentwicklung in unserer Stadt auszublenden, ist eine Augenwischerei, die wir nicht akzeptieren können“, sagt Mathias Meder, der ordnungspolitische Sprecher seiner Fraktion.
Gibt es eine Verdrängung?
„Kein Junkie wird durch Kameras von seiner Sucht befreit, kein Handtaschendieb geht zukünftig einem geregelten Beruf nach, kein Schläger wird zum Muttersöhnchen“, betont Meder. Durch die Videoüberwachung werde die Kriminalität lediglich verdrängt – ein Effekt, den die Polizei bei der Überwachung der Innenstadt immer verneint hatte. Statt Kameras aufzuhängen, plädiert Meder dafür, die Probleme „an der Wurzel anzupacken“ – etwa durch Gewaltprävention, aber auch Appelle an mehr Zivilcourage.
Die SPD-Fraktion sieht das ganze Thema dagegen wenig aufgeregt. „Wenn die rechtlichen Voraussetzungen für die Videoüberwachung nicht mehr vorliegen, muss man die Kameras abschalten“, sagt Stadtrat Boris Weirauch. „Sollten die Zahlen dann wieder hochgehen, müssen wir das Thema erneut diskutieren.“