Bildung: Zwei Schulen diskutieren über neunjährigen Gymnasialzug / Zustimmung des Gemeinderats nicht sicher
Mannheimer Morgen, 12.06.2012 – Von unserem Redaktionsmitglied Fabian Busch
Kaum ein Thema hat Schüler, Eltern, Lehrer und Bildungspolitiker in den vergangenen Jahren so beschäftigt wie die Einführung des achtjährigen Gymnasiums (G8). Die Reform sollte die Schulzeit verkürzen, erhöhte für viele Lernende und Lehrende aber in erster Linie den Stress. Die grün-rote Landesregierung hat das neunjährige Gymnasium (G9) nun zum kommenden Schuljahr testweise wieder eingeführt. Zum Herbst 2013 könnte sich auch eine Mannheimer Einrichtung für einen G9-Zug beim Land bewerben. Besonders groß ist das Interesse an dem Schulversuch in den Kollegien aber offenbar nicht.
Nur zwei von neun städtischen Gymnasien wollen die Idee von der Reform der Reform intern diskutieren: das Ludwig-Frank- und das Karl-Friedrich-Gymnasium. „Wir schließen das nicht aus“, sagt KFG-Rektor Prof. Hermann Wiegand. Am Ludwig-Frank-Gymnasium diskutiere das Kollegium noch, sagt Schulleiter Holger Reusch. Im Juli solle eine Entscheidung fallen, ob sich die Schule einen oder mehrere G9-Züge vorstellen kann. Es sei aber noch keine Tendenz erkennbar, so Reusch.
Wieder abgerückt von der Idee ist das Moll-Gymnasium. Das ursprüngliche G9-Modell habe man sich vorstellen können, sagt Schulleiter Dr. Gerhard Weber. Als Schulversuch aber sei der neunjährige Zug nur ein Testlauf und daher zu unsicher. Hinzu kommt, dass Weber den Wunsch der Eltern nach G9 als nicht mehr so stark empfindet. „Am Anfang haben wir viele Diskussionen gehabt und viel Wut auffangen müssen.“ Inzwischen aber sei G8 eingespielt.
Gymnasium der Langsamen?
Das ist eine Einschätzung, die man häufig hört: So sehr die verkürzte Gymnasialzeit Kindern und Eltern zu Beginn zu schaffen gemacht hat – ganz laute Forderungen nach der Rückkehr zu G9 gibt es an den Schulen offenbar nicht. Holger Reusch sieht ein weiteres Problem: Bewerben darf sich ein Schulträger (im hiesigen Fall also die Stadt Mannheim) mit nur einer Schule. Das G9-Gymnasium hätte also ein Alleinstellungsmerkmal mit noch unklarer Konsequenz: Strömen Eltern und Schüler auf diese Schule, oder erhält sie vielleicht vielmehr den Ruf, das Gymnasium für die Langsamen zu sein? „Das birgt auf jeden Fall Risiken“, sagt Reusch.
Der Mannheimer Gesamtelternbeirat drängt jedoch darauf, dass eine städtische Einrichtung unter den landesweit 22 G9-Zügen sein wird, die im Schuljahr 2013/2014 den Betrieb aufnehmen. „Der Bedarf ist da, die Eltern hätten gerne eine Wahlmöglichkeit“, sagt der Vorsitzende Matthias Mackert. Das zeige auch das teils große Interesse an den G9-Zügen, die in anderen Städten schon nach den Sommerferien starten. Eigentlich, so Mackert, sollte mehr als nur ein Gymnasium einen neunjährigen Zug anbieten.
Die Stadtverwaltung will den Schulen freie Hand lassen. Noch unklar aber ist, ob der G9-Versuch eine politische Mehrheit findet. Bewerben müssen sich die Schulen bis zum Dezember. Die Entscheidung, ob ein Gymnasium beim Land seinen Hut in den Ring wirft, muss letztendlich der Gemeinderat treffen. Die Stadträte müssten auch entscheiden, welche Schule für die Stadt ins Rennen gehen sollte. Allerdings bekennt sich nur die SPD-Fraktion zu G9. CDU und FDP lehnen den Schulversuch ab, auch die Grünen sind skeptisch. „Wir sehen bisher keinen Bedarf“, sagt der bildungspolitische Sprecher Dirk Grunert. Mit dem Weg über die Integrierte Gesamtschule oder die beruflichen Gymnasien seien bereits G9-Angebote vorhanden.
„Wenn eine Schule mit einem tollen Konzept kommt, werden wir das natürlich prüfen“, sagt Grunert. Endgültig festlegen wollen sich die Grünen daher noch nicht. Auch der SPD-Landtagsabgeordnete Dr. Stefan Fulst-Blei rechnet nicht mit einem rot-grünen Streit über G9. „Ich glaube nicht, dass sich die Grünen querstellen werden“, sagt er.