Ein junger Unternehmer im Zentrum der Macht

Wirtschaftsjunioren: Oliver Brix nahm an Projekt im Bundestag teil – jetzt findet er Politik viel menschlicher und verständlicher / Beeindruckt vom Pensum

Mannheimer Morgen – Mittwoch,06.06.2012 -Von unserem Redaktionsmitglied Peter W. Ragge

 

Für „völlig weltfremd“ hielt er sie, ja, das gibt er gerne zu. Oliver Brix hatte von Politikern und Politik keine, zumindest keine sehr gute Meinung. „Das war für mich alles wie eine Blackbox, alles nicht nachvollziehbar“, so der 32-jährige Unternehmer. Inzwischen jedoch hält er Politik „für viel menschlicher und verständlicher“ – nachdem er sie eine Woche lang direkt erlebte.

Brix nahm an dem Projekt „Know-how-Transfer“ der Wirtschaftsjunioren Deutschland teil und konnte eine Woche lang einen Bundestagsabgeordneten auf Schritt und Tritt begleiten, und zwar die Mannheimer Parlamentarierin Dr. Birgit Reinemund (FDP).

Wirtschaftsjunioren – das ist der mit mehr als 10 000 Mitgliedern bundesweit größte Verband junger Unternehmer und Führungskräfte unter 40 Jahren in Betrieben der Industrie- und Handelskammer. Der Verband organisierte das Projekt „Know-how-Transfer“ in diesem Jahr bereits zum 18. Mal, um Unternehmern einen Einblick in den Alltag der Parlamentarier zu geben und den Austausch zwischen Wirtschaft und Politik zu fördern. 200 Bundestagsabgeordnete ließen sich auf das Experiment ein, sich eine Woche begleiten zu lassen.

Im Reichstag verlaufen

„Allein dafür schon hat sich meine Mitgliedschaft bei den Wirtschaftsjunioren gelohnt“, schwärmt der Unternehmer, der selbstständig in der Immobilienbranche tätig ist. Es sei „einfach klasse“ gewesen, welche Offenheit er bei Reinemund, aber auch ihren Parlamentskollegen erlebt habe. Dabei haben sich alle Fraktionen an dem Projekt beteiligt. „Die Partei spielte keine Rolle“, so Brix, „ganz unabhängig davon, was man denkt – Reinemund und auch die anderen Abgeordneten haben uns Wirtschaftsjunioren überall hin mitgenommen!“ Ob Ausschuss- oder Fraktionssitzungen, die vorbereitenden Treffen der Arbeitsgruppen, Empfänge, ein Mittagessen mit dem britischen Botschafter, parlamentarische Abende – überall war er dabei; und dank einem Hausausweis des Bundestages auch mal auf eigene Faust. „Wir konnten uns frei bewegen – und ich habe mich auch mal im Reichstag verlaufen, bin in einem Versorgungsgang gelandet“, gesteht er schmunzelnd.

Und egal wo man laufe, „immer kommt mal ein Minister vorbei“, schildert Brix, wie nah er die Politik erlebte. Mal habe er mit dem bekannten CDU-Politiker Friedrich Merz bei einem Empfang am Stehtisch gestanden, mal sich neben Wirtschaftsminister Philipp Rösler auf der Toilette die Hände gewaschen, andere Prominente bei Sitzungen, Debatten oder an der Bar erlebt. „Letztlich sind es ganz normale Menschen“, so Brix, die eben andere Aufgaben und eine andere Verantwortung hätten, aber doch ernsthaftes Interesse am Dialog mit ihm gezeigt hätten, so seine Erfahrung.

„Sehr beeindruckt“ war der Unternehmer von dem „riesigen Pensum“, das Abgeordnete bewältigen müssen. „Täglich von 8 bis 22 Uhr mindestens, die ganze Woche durch, völlig fremdbestimmt, das will doch kein normaler Mensch, da will niemand mit denen tauschen“, staunte er. Auch deswegen finde er den schlechten Ruf, den Politiker oft hätten, inzwischen falsch.