Kulturpolitik: OB Peter Kurz wollte Bürgernähe – die aber setzt transparentes Handeln voraus / Über die NTM-Führungsdebatte
Mannheimer Morgen, Mittwoch 14.11.2012 -Von unseren Redaktionsmitgliedern Stefan M. Dettlinger
Was will das Volk eigentlich? Dies ist eine Frage, der sich jeder Politiker stellen muss. Mit seinem Handeln bewegt er sich stets auf einem schmalen Grat: Zum einen wurde er gewählt, weil man ihm zutraut, richtige Entscheidungen zu treffen, zum anderen aber muss ein Gewählter die Nähe zu den Bürgern suchen, damit er spürt: Wie ticken die eigentlich da draußen? Politiker also sollten das Ziel haben, durch Denken Probleme der Gesellschaft zu lösen. Und sie können dazu Abstimmungen in Parlament, Landtag oder Gemeinderat nutzen oder auch nur Meinungen äußern und damit Debatten in eine bestimmte Richtung lenken.
Nun muss sich ausgerechnet einer undemokratisches und intransparentes Handeln vorwerfen lassen, der einst mit dem Anspruch antrat, Politik transparenter und Entscheidungsprozesse bürgernäher zu machen. Ziemlich genau das steht nämlich unter Ziel 1 auf dem Zehnpunkteplan von Mannheims Oberbürgermeister Peter Kurz: „Mehr Bürgerbeteiligung und eine effizientere, bürgernahe Verwaltung für Mannheim.“
Spott über „Fürst Peter“
Es geht um die Debatte über die Führungsstruktur am Nationaltheater (NTM). Kurz will eine Änderung: weg von der Generalintendanz, hin zu einer flacheren Hierarchie und mehr künstlerischer Verantwortung für die Spartenchefs. Nicht nur von der Opposition hört man nun, Kurz würde da etwas durchboxen, schaffe Fakten, bevor der Gemeinderat am 18. Dezember abstimmen werde, bisweilen sprechen die Leute sogar von Mannheims „Fürst Peter“.
Tatsache ist: Es bleibt eine Gemeinderatsentscheidung. Deswegen ist der Vorwurf des Undemokratischen nicht haltbar. Aber transparent ist der Prozess nicht. Es sind Foren der NTM-Freunde oder dieser Zeitung am 22. November (siehe Kasten), die eine öffentliche Debatte ermöglichen. Kurz selbst wollte, das ist deutlich, sein Ding durchziehen.
Selbst SPD-Parteifreundin Helen Heberer sagt, sie sehe das zwar „nicht als undemokratisch an, wenn sich ein OB, der sich in der Materie sehr gut auskennt, Gedanken macht“. Es könne allerdings „ein Schönheitsfehler sein, wenn es Kurz nicht gelingt, der Entscheidung einen offenen Findungsprozess voranzustellen.“ Prinzipiell aber steht die Landtagsabgeordnete auf Kurz‘ Seite: „Freizeit und Gesellschaft haben sich verändert. Da müssen neue Antworten gefunden und auch Entscheidungsprozesse an Theatern demokratischer werden.“
Ironie des Schicksals? Ausgerechnet der Schritt zu mehr Demokratie am Theater soll von oben herab erfolgen? Doch das ist für den Fraktionsvorsitzenden der FDP, Volker Beisel, nur ein Teil des Problems. Er kritisiert vielmehr das Verfahren und spricht von einem „bestellten Gutachten“. Für ihn müsse ein solches Papier „Vor- und Nachteile aller Modelle aufzeigen“, so dass man sich ein Bild machen und entscheiden könne. Ganz abgesehen davon sieht er keine Notwendigkeit für eine Änderung: „Warum sollte man die Struktur an Mitarbeiter anpassen und nicht richtige Mitarbeiter für vorhandene Strukturen suchen?“ Auch befürchtet er, dass „Verantwortung abgeschoben wird“.
Die kulturpolitische Sprecherin der Grünen Miriam Caroli sieht den Vorgang ganz anders. Der OB habe „sofort nach Gerbers Ausscheiden als Generalintendantin dem Gemeinderat klar gemacht, dass er da etwas ändern will, und wir fanden das von Anfang an nicht so schlecht“. Aber das Theater lebe natürlich von seinem bürgerlichen Publikum, deswegen findet Caroli, dass eine knappe Mehrheit im Gemeinderat gegen CDU und ML kein gutes Omen für das neue Modell wäre, das sie aber bevorzugt, denn: „Es bedeutet mehr Demokratie. Außerdem arbeiten die Spartenchefs zurzeit zum ersten Mal richtig gut zusammen.“
Während Achim Weizel (ML) von den NTM-Freunden kompromissbereit scheint („Wir sollten die Vergangenheit ruhen lassen und konstruktiv für die Zukunft des Theaters arbeiten“), bedauert der kulturpolitische Sprecher der CDU, Jens J. Kirsch, dass man das Meiste aus der Presse erfahren habe, womit Fakten geschaffen worden seien, und auch, dass es sich bei dem Tränkle-Papier um ein „Gefälligkeitsgutachten“ handle. Die CDU hätte sich „einen ergebnisoffenen Prozess gewünscht“.
Und was sagt der OB? „Es ist selbstverständlich nicht undemokratisch, als Oberbürgermeister eine Meinung zu haben und diese auch zu äußern. Der Vorwurf, ,undemokratisch‘ zu sein, war deshalb schon befremdlich.“ Es sei klar gewesen, dass der Auftrag an Herrn Tränkle lautete, zu prüfen, ob ein Direktoriumsmodell in Mannheim sinnvoll umsetzbar ist, sagt Kurz. „Das ist im Kulturausschuss vorgestellt und besprochen worden.“ Dem Ausschuss gehören zwölf Mitglieder des Gemeinderates an. Dazu kommen zehn sachkundige Einwohner mit beratender Stimme. Den Vorsitz führt Bürgermeister Michael Grötsch (CDU).