Modell „ohne Mehrkosten“

 

Kulturpolitik: Mit überraschend großer Mehrheit empfiehlt der Kulturausschuss das neue Intendantenmodell fürs Nationaltheater

Von unserem Redaktionsmitglied Stefan M. Dettlinger / © Mannheimer Morgen, Donnerstag, 31.01.2013

Es ist beschlossen. Zumindest fast. Der Kulturausschuss der Stadt Mannheim hat sich entschieden und wird eine Empfehlung an den Gemeinderat abgeben: Demnach soll das Nationaltheater Mannheim (NTM) ein neues Führungsmodell mit fünf Intendanten einführen, von denen drei auch die Eigenbetriebsleitung übernehmen. Dies bestätigte gestern Kulturbürgermeister Michael Grötsch direkt nach der Sitzung auf Anfrage dieser Zeitung: „Ich bin froh, dass wir in der kurzen Zeit zwischen der letzten Sitzung im Dezember und heute das neue Intendantenmodell auf den Weg gebracht haben.“

Die Entscheidung im Kulturausschuss ist mit einer überraschend starken Mehrheit getroffen worden. Rund zwei Drittel des Gremiums haben mit Ja gestimmt – bei einer Enthaltung. Auf Antrag der Freien Wähler (ML) sei noch ein Passus in die Beschlussvorlage aufgenommen worden, so Grötsch. Er sieht die Notwendigkeit einer Evaluierung des Modells Anfang 2016 vor. Zuerst aber muss der Gemeinderat am 19. Februar noch der Empfehlung des Kulturausschusses folgen. Dies tut er aller Voraussicht nach.

Bei dem Modell, das bereits zum 1. März des Jahres in Kraft treten soll, handelt es sich um eine Abwandlung des ursprünglich von Oberbürgermeister Peter Kurz und seinem Berater Hans Tränkle favorisierten Vorschlags. Während die Urform eines Direktoriums von fünf Intendanten eins zu eins übernommen wird, gibt es eine entscheidende Änderung auf der Ebene der Eigenbetriebsleitung. Dort war zunächst vorgesehen, dass der Kaufmännische Intendant mit einem alternierenden zweiten Intendanten (Schauspiel oder Oper) die wirtschaftliche und administrative Gesamtverantwortung gegenüber der Verwaltung habe.

Ende einer schwierigen Phase

Nun hat man auf die Kritik der oppositionellen CDU, ML und FDP derart reagiert, dass beide, Schauspiel- und Opernintendant, ständiges Mitglied einer dreiköpfigen Eigenbetriebsleitung werden (in Stuttgart, wo das Kinder- und Jugendtheater nicht zu den Württembergischen Staatstheatern gehört, sind sogar alle vier Intendanten Eigenbetriebsleiter).

Damit wird ab März eine von anhaltenden Diskussionen begleitete Interimsphase enden. Angefangen hat sie mit der Krankheit der ehemaligen Generalintendantin Regula Gerber, die am 14. Mai 2012 nach langem Ausfall ihr Amt zur Verfügung stellte – nachdem ihr Burn-out bescheinigt wurde. Lutz Wengler, Gerbers Stellvertreter, hat die Leitung kommissarisch übernommen – und OB Kurz eine Chance gewittert: Ihm schwebte schon seit einiger Zeit das seit vielen Jahren erfolgreich praktizierte „Stuttgarter Modell“ vor, an dem sich die nun für Mannheim beschlossene Lösung orientiert. Von ihr versprach und verspricht er sich mehrere Vorteile. Unter anderem: Durch größere Unabhängigkeit der Sparten, die keine künstlerische Aufsicht durch den „General“ mehr haben, kann, so glaubt Kurz, kreativeres, profilierteres Theater entstehen. Außerdem erlaubt das Modell eine freiere Vertragsgestaltung, bei der man, wie an deutschen Theatern oft üblich, nicht immer ein ganzes Team (Generalintendanz und alle Spartenleiter) auf einmal auswechseln muss.

Einer der Punkte, die Skeptiker wie Holger Schultze (Intendant Heidelberg) oder Ulrich Schwab (früher Generalintendant in Mannheim) auf den Plan gerufen hatte, war das Finanzielle. Sie schürten – auch beim Bürgerforum dieser Zeitung – die Angst, das neue Modell würde in jedem Fall teurer werden. Doch Bürgermeister Grötsch beruhigt mit Verweis auf die Vorlage. Alles, so deutet er an, solle neutral geregelt werden: „Mit Mehrkosten ist auch bei gegebenenfalls aufgrund von Verantwortungszuwachses vorzunehmenden Gehaltsanpassungen nicht zu rechnen, da durch die neue Leitungsstruktur die bisherige Vergütung für die Generalintendanz grundsätzlich und strukturell eingespart wird.“

Das Finanzielle wird Gegenstand der Vertragsverhandlungen sein, die beginnen, sobald der Gemeinderat zugestimmt hat. Wie lange die Verträge laufen werden, wie sie genau aussehen, ist Verhandlungssache. Und auch die Verträge müssen am 30. April noch einmal vom Gemeinderat verabschiedet werden.

Und welche Rolle spielt dann der amtierende Kommissarische Generalintendant Wengler, dem Grötsch herzlich dankt? Er wird, was er einmal war: Stellvertreter von (dann) Opernintendant Klaus-Peter Kehr.

© Mannheimer Morgen, Donnerstag, 31.01.2013