Tempo 30 nahezu flächendeckend auf den Mannheimer Hauptverkehrsstraßen mit Wohnbebauung – so plant es derzeit die Stadtverwaltung.
Als Grundlage nutzt sie dafür das Instrument der Lärmaktionsplanung, mehr dazu siehe unten.
Da es sich hierbei um einen massiven Eingriff in den Verkehrsfluss handelt, gleichzeitig aber natürlich auch um das ernstzunehmende Thema Lärmschutz geht und in der Stadtgesellschaft sicher für Kontroverse sorgt, hat das Thema eine hohe politische Relevanz.
Dieses Vorhaben sollte von der Stadtgesellschaft aktiv begleitet werden, denn die angestrebten Maßnahmen sind keineswegs so alternativlos, wie von der Verwaltung suggeriert.
Dies ist bei diesem Thema besonders einfach, denn die Stadtverwaltung muss zu diesem Thema eine Öffentlichkeitsbeteiligung durchführen!
Woher bekommen Sie Infos?
Alle Unterlagen der Stadtverwaltung zum Vorhaben finden Sie hier: https://www.mannheim.de/de/stadt-gestalten/planungskonzepte/laermminderungsplanung/laermaktionsplanung/oeffentlichkeitsbeteiligung-laermaktionsplan-4-stufe
Wie geht es weiter und was können Sie tun?
Das Wichtigste: Unter obengenanntem Link haben Sie die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren und bis zum 03.04.2025 Einwendungen gegen die vorgesehene Planung einzureichen.
Gerne können dafür Teile der unten genannten Argumentation verwendet werden.
Zur Grundlage des Vorhabens
Die Stadtverwaltung ist verpflichtet, einen Lärmaktionsplan zu erstellen und umzusetzen. Dieser soll dafür sorgen, dass die Bürger ausreichend vor Verkehrslärm geschützt werden. Soweit, so richtig und zweifellos wichtig.
Auffällig ist jedoch, dass die Verwaltung die Straßenverkehrslärmproblematik fast ausschließlich durch Geschwindigkeitsreduktionen lösen will.
Warum gibt es Anlass zur Kritik an der vorliegenden Planung?
Die vorliegende Fortschreibung der Lärmaktionsplanung muss, insbesondere hinsichtlich der Maßnahmen gegen Straßenverkehrslärm, vor der Einreichung in den Gemeinderat überarbeitet werden.
Hauptaugenmerk muss dabei darauf gelegt werden, dass neben dem berechtigten Interesse des Lärmschutzes auch ein zügiger Verkehrsfluss, der für eine wirtschaftlich bedeutsame Stadt wie Mannheim ebenfalls eine hohe Bedeutung hat, ausreichend berücksichtigt werden muss. Dies ist in dem vorliegenden Entwurf nicht der Fall.
Zusammenfassend sind folgende Punkte besonders zu bemängeln. Die ausführliche Begründung erfolgt unten.
- Konsequenter Ansatz eines grenzwertigen Lärmpegels von 65dB tags/ 55 dB nachts ohne die gegebene Notwendigkeit
- Einseitige Umsetzung des Lärmaktionsplans mittels Beschränkungen der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für den Straßenverkehr
- Fehlende Gesamtdarstellung der haushaltsrelevanten Kosten
Grenzwertiger Lärmpegel
Dem Lärmaktionsplan liegt die Annahme zugrunde, dass die Stadtverwaltung bei der Überschreitung eines Lärmpegels von 65dB tags/ 55 dB nachts Maßnahmen ergreifen MUSS. Dies ist jedoch nicht korrekt. Nach Gesetzes-/Verordnungslage kann von den Grenzwerten 67dB tags/ 57 dB nachts Gebrauch gemacht werden, um dem Verkehrsfluss ausreichend Gewicht einzuräumen. Von diesem Ermessen, das der Stadtverwaltung eingeräumt wird, macht der vorliegende Lärmaktionsplan nur auf wenigen Straßen, genannt „Magistralen“, Gebrauch. Neben diesen herausgedeuteten Magistralen muss auch der zügige Verkehrsfluss auf den mehrheitlich von dem Aktionsplan betroffenen Sammelstraßen Bedeutung zugemessen werden. Auch auf ihnen sorgen massive Verkehrsbeschränkungen zu einem volkswirtschaftlichen Schaden.
Eventuell kann der Ansatz von grenzwertigen Lärmpegeln von 67 dB tags / 55 dB nachts einen fairen Interessensausgleich darstellen.
Maßnahmenpool
Als nahezu einzige konkrete Maßnahme, die die Lärmaktionsplanung hinsichtlich des Straßenverkehrslärms zur Umsetzung vorsieht, ist die Verhängung von Geschwindigkeitsbeschränkungen und hier mehrheitlich eine Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h auf 30 km/h. Andere Maßnahmen werden nicht konkret in Erwägung gezogen.
Diese Maßnahme ist zwar verhältnismäßig einfach umsetzbar, bedeutet jedoch eine massive Beschränkung des Verkehrs. Durch die Geschwindigkeitsreduktion erfolgt eine erhebliche Einschränkung des Verkehrsflusses und der Leichtigkeit des Verkehrs, durch die sich im Laufe der Jahre durch verlängerte Fahrzeiten ein erheblicher volkswirtschaftlicher Schaden aufsummiert.
Folgende Punkte sind am vorliegenden Entwurf zur Lärmaktionsplanung besonders zu bemängeln:
- Es erfolgt der sehr einseitige Maßnahmenvorschlag von Geschwindigkeitsreduktionen. Eventuell kann eine Ausweitung des Ansatzes von zulässigen Straßenverkehrs- und Straßenbahn-Höchstgeschwindigkeiten von 50 km/h tagsüber und 30 km/h nachts auf den Großteil der Untersuchungsstrecken einen fairen Interessensausgleich zwischen dem Verkehrsfluss des Wirtschaftsverkehrs und Berufspendlerverkehrs einerseits und der besonders wichtigen Nachtruhe andererseits darstellen.
- An Straßen mit Kfz- und Straßenbahnverkehr sieht der Lärmaktionsplan eine Reduktion der zulässigen Höchstgeschwindigkeit für den Kfz-Verkehr vor, für Straßenbahnen jedoch nicht. Dies mit der Begründung, dass der Verkehrsfluss der Straßenbahn durch eine Geschwindigkeitsreduktion beeinträchtigt würde. Dies gilt aber für den Kfz-Verkehr genauso und gemessen an der beim Kfz-Verkehr betroffenen Personenzahl umso mehr. Eine Bevorteilung des ÖPNV ggü. dem motorisierten Individualverkehr mag ein politisches Anliegen sein, ist jedoch NICHT Aufgabe der Lärmaktionsplanung.
- Als theoretische Maßnahme wird in Prosa die Förderung von Lärmschutzfenstern an Wohngebäuden genannt. In der konkreten Umsetzung von streckenbezogenen Maßnahmen, wie sie für die Geschwindigkeitsreduktion genannt werden, fehlt diese wirksame Option jedoch.
- Als theoretische Maßnahme wird in Prosa die Verwendung von lärmmindernden Asphaltbelägen genannt. In der konkreten Umsetzung von streckenbezogenen Maßnahmen, wie sie für die Geschwindigkeitsreduktion genannt werden, fehlt diese wirksame Option jedoch. Klar ist, dass diese Maßnahme aufgrund der hohen Kosten nur dann eingesetzt werden kann, wenn der Asphaltbelag aufgrund Sanierungsbedürftigkeit sowieso zum Austausch ansteht. Ein Abgleich mit dem der Stadtverwaltung vorliegenden Straßenzustandsbericht fehlt in der Lärmaktionsplanung jedoch. So ist beispielsweise in dem Untersuchungsgebiet „Steubenstraße“ eine Erneuerung des Asphaltbelags für das Jahr 2025/2026 vorgesehen. Der dortige Einsatz eines lärmmindernden Asphalts statt einer Geschwindigkeitsreduktion fehlt in der Maßnahmenempfehlung.
- Des Weiteren ist von Bedeutung, dass Fahrzeuge beim Befahren von sanierungsbedürftigen Straßenbelägen mit vielen Fehlstellen einen erheblichen Verkehrslärm verursachen, ähnlich den in der Lärmaktionsplanung genannten Pflasterbelägen zwischen Straßenbahnschienen. Potenziale zur Lärmreduzierung durch Oberflächensanierungen fehlen in der Lärmaktionsplanung.
- Der vorliegende Lärmaktionsplan arbeitet ausreichend nicht aus, welchen Einfluss Geschwindigkeitsreduktion auf den Verkehrsfluss an Ampelkreuzungen haben. Als einzige Folge wird genannt, dass sich an manchen Kreuzungen die Räumzeiten so sehr verlängern, dass eine Anpassung oder Erneuerung der Lichtsignalanlagen notwendig wird. Nicht genannt wird, ob durch die Geschwindigkeitsreduktion auch Grüne Wellen unterbrochen werden, was einen schädlichen Einfluss hinsichtlich der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, des Abgasausstoßes und natürlich auch wieder hinsichtlich der Lärmemissionen bedeuten würde.
Kosten
Der Beschluss des Lärmaktionsplans hat eine Belastung des städtischen Haushalts zur Folge. Soll der Gemeinderat den Lärmaktionsplan beschließen, so muss dieser vollständig über die entstehenden Kosten in Kenntnis gesetzt werden. In der vorliegenden Lärmaktionsplanung wird lediglich eine Kostenschätzung von 9 Mio. Euro für Änderungen an Lichtsignalanlagen genannt. Ein Beschluss des Lärmaktionsplans hat jedoch viel weitreichendere finanzielle Folgen. So bleiben die Kosten für die Herstellung sämtlicher Beschilderungen, der Personalaufwand für die Durchführung der planungsrechtlichen Anordnung der Geschwindigkeitsbeschränkungen, der Personal- und technische Aufwand für die Überplanung des Verkehrsflusses hinsichtlich grüner Wellen, die Kosten für Baustelleneinrichtungen und Verkehrssicherungsmaßnahme zum Umbau der Lichtsignalanlagen und weiterer baulicher Anlagen usw. vollständig unerwähnt. Vollständig unerwähnt bleiben letztlich auch die (sicher schwer im Detail berechenbaren, jedoch durchaus schätzbaren) volkswirtschaftlichen Einbußen aufgrund der Verkehrsverlangsamung, die über Jahre hinweg ein erhebliches Ausmaß erreichen werden.