Die Entscheidung bei den Etatberatungen Anfang März rückt näher: Nach Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz im Dezember hatten gestern die Parteien im Gemeinderat das Wort. Und während im Saal die Fraktionsvorsitzenden von CDU, SPD, Grünen und FDP sagten, wie sie sich das Geldverteilen in den nächsten vier Jahren vorstellen, formierte sich auf dem Paradeplatz und vor dem Sitzungssaal lautstarker Protest.
Eisiger Wind und Temperaturen um den Gefrierpunkt: Irgendwie passte das Klima zur unterkühlten Stimmung auf dem Platz. „Finger weg von unseren Jugendhäusern, Tradition darf nicht sterben, wir sind die Wähler von morgen“ stand da zu lesen. Rund 300 Jugendliche, Mitglieder von Fördervereinen, Stadtjugendring, Personalräte vom Jugendamt, der Bezirksfrauenrat von ver.di Rhein-Neckar – sie alle zogen gegen die angekündigte Personalkürzungen im Bereich der offenen Jugendarbeit, der Frauenhäuser und der Schuldnerberatung zu Felde. Selbst gebastelte Transparente kamen da ebenso zum Einsatz wie Trillerpfeifen und eigens bedruckte T-Shirts, die zum Beispiel das Jugendhaus Herzogenried für seine „Truppen“, darunter die Day-and-Night-Girls Nina, Jasmin, Sara und Diana, bereit gestellt hatte. Mit dabei auch die Klasse 7 der Kepler-Schule und SPD-Urgestein Helga Stern, die noch in der Nacht ihren Protest aufs Plakat gepinselt hatte.
Ein gellendes Pfeifkonzert schallte denn auch Oberbürgermeister Kurz entgegen, als er sich gegen 15 Uhr durch die aufgebrachte Menge Richtung Ratssaal schob. Mit so viel Resonanz und geballtem Zorn hatte er wohl nicht gerechnet. Selbst auf der Besucherempore war kein Platz mehr zu finden. „So was gab“s hier lange, lange nicht mehr“, staunten viele Zuhörer. Gespannt warteten alle auf ein Wort ihres Stadtoberhauptes, doch Kurz gab sich wenig kommunikativ, verbat sich lediglich laute Unterbrechungen.
Wer trotzdem blieb, erfuhr im Laufe des dreistündigen Rede-Marathons, dass sich eine politische Mehrheit gegen die von Kurz vorgeschlagenen Kürzungen bei der offenen Kinder- und Jugendarbeit abzeichnet: SPD und Grüne hoben die Bedeutung der gewachsenen Arbeit in den Stadtteilen hervor – ein Ausdünnen ist mit ihnen nicht zu machen. SPD und CDU plädierten zudem, den Jugendtreff in Wallstadt einzurichten.
Ansonsten standen jede Menge Sparvorschläge im Mittelpunkt der teils langatmigen Reden. Bei den Ausgaben rangieren Anstrengungen im Bereich von Familien- und Bildungspolitik bei allen Parteien ganz oben. Deutlich wurde: Rot und Grün sind sich in ihrem Bemühen um eine „solidarische, ökologische Bürgergesellschaft“ in vielen Punkten einig, da zeichnet sich eine Mehrheit ab, die Grünen-Chef Wolfgang Raufelder zu „vorsichtigem Optimismus“ animierte.
CDU und FDP lehnten die vom Kurz vorgeschlagene Erhöhung der Grundsteuer strikt ab, den Christdemokraten gehen die Einsparvorschläge der Verwaltung nicht weit genug. Sie schlagen vor, Personal-und Sachkosten weiter zu reduzieren und wollen die Erhöhung des Kulturetats für die freie Szene – ein Vorschlag des Kulturdezernenten aus den eigenen Reihen – nicht mittragen. Kritik musste sich der OB an seiner Verwaltungsreform gefallen lassen: uneffektiv, hohe Beraterkosten, alles eher verwirrend, lauteten einige der CDU-Vorwürfe. Es zeichnen sich harte Etatberatungen ab.