Oberbürgermeister Dr. Peter Kurz und seine Dezernenten kommen zehn Minuten zu spät in die Sitzung des Gemeinderates. Im Schlepptau: die Fraktionsvorsitzenden. Da wedelt ein Stadtrat plötzlich auffällig mit einer großen gelben Karte, auf der seit kurzem die acht Verhaltensregeln für Mannheimer Kommunalpolitiker abgedruckt sind. Auf diesem Kodex steht Pünktlichkeit ganz oben. „Die Sitzung des Ältestenrats hat länger gedauert“, entschuldigt sich ein Mitarbeiter des OB.
Die Regeln, die sich Rat und Verwaltung im Sommer selbst gegeben haben, werden jetzt unübersehbar als gelbes Merkblatt auf jedem Ratstisch ausgelegt – damit sie ja nicht vergessen werden. Doch das bringt die Männer und Frauen im Rat auf die Palme. Viele wollen sich von Kurz die gelbe Karte nicht zeigen lassen.
„Wir sind hier doch nicht im Kindergarten oder in einem Erziehungsinternat“, schimpft Steffen Ratzel (CDU). Prinzipiell sei er ja nicht gegen den Kodex, „aber man kann solche Belehrungen auch übertreiben“. „Eine Kinderei“, nennt Kollege Dr. Horst Wagenblaß von der SPD, dass der gelbe Wisch nun vor jedem Stadtrat liegen muss. „Ich hab“ alle Regeln schon brav auswendig gelernt“, frotzelt Michael Himmelsbach, der mit seinen zwei Freunden von der Mannheimer Liste (ML) den Kodex nicht unterschrieben hat.
Plädoyer für Redefreiheit
„Die gelbe Karte mit all den Selbstverständlichkeiten, die allerdings oft auch nicht eingehalten werden, ist doch völlig albern“, ärgert sich Dr. Elke Wormer (FDP). Stadträtin Rebekka Schmitt-Illert (CDU) findet die Vorgaben allerdings gar nicht lustig: „Ich lass“ mir doch nicht den Mund verbieten.“ Zum Beispiel findet sie den Passus unmöglich, dass in den Ausschüssen in der Regel immer nur ein Mitglied einer Fraktion zu einem Tagesordnungspunkt reden dürfe. Das sei gerade in einem solchen Gremium, in dem ja intensiv mit den Fachkollegen beraten werden soll, nicht zu akzeptieren. Auf der anderen Seite wundert sich Birgit Sandner-Schmitt (FDP), dass bei der Debatte um die Werkrealschulen dem ein oder anderen Kollegen wohl „das Pferd durchgegangen ist“. „Ich habe gedacht, dass laut unserem Kodex die Beiträge kurz und klar sein sollen“, wundert sich die Neu-Stadträtin über einige ausufernde Reden zu diesem Thema. Als Konrad Schlichter (CDU) in der Diskussion dem SPD-Fraktionsvorsitzenden Dr. Stefan Fulst-Blei dann auch noch eine „Hetzrede“ vorwirft, greift Kurz ein – ganz ohne Kodex: „Hetzreden kennen wir hier im Gemeinderat nicht – und so etwas wollen wir auch keinem Stadtrat unterstellen.“
Helen Heberer (SPD) wird plötzlich mit einem Handy am Ohr ertappt – ein klarer Verstoß gegen eine der acht Regeln. „Ich hab nur schnell meine Mailbox abgerufen“, entschuldigt sich die Stadträtin.