Schüler fühlen Politikern auf den Zahn
Gut eineinhalb Stunden lang stand gestern „Politik aus erster Hand“ auf dem Stundenplan des Kurpfalz-Gymnasiums in Schriesheim. Die örtlichen Bundestagsabgeordneten Dr. Karl A. Lamers (CDU) und Lothar Binding (SPD), der Landtagsabgeordnete Hans-Ulrich Sckerl (Bündnis 90/Die Grünen) und die Bundestagskandidatin Dr. Birgit Reinemund (FDP) stellten sich den Fragen der Schüler, zuerst einzeln und im kleinen Kreis, dann auf dem Podium vor rund 200 Zuhörern.
Ganz oben auf der Agenda der jungen Leute stand natürlich die Bildungspolitik, obwohl diese ja Sache der Länder ist. Provokant formulierte der Co-Moderator Mathias Schmelzer in Sachen G 8: „Warum wird die Meinung der Bürger ignoriert?“ Das verkürzte Gymnasium bringe schon viel zu früh Stress in die Schule, sagte Binding und nannte dies unter Beifall „eine gravierende Fehlentscheidung“. Die FDP-Politikerin Reinemund rechtfertigte die Verkürzung der Schulzeit dagegen im Grundsatz, räumte aber Mängel bei der praktischen Umsetzung ein: „Da wurden die Schulen alleingelassen.“
Ohne eine grundlegende Reform und Entrümpelung werde sich G 8 nicht dauerhaft etablieren, erklärte Sckerl von den Grünen und forderte stattdessen wissenschaftlich begleitete Schulversuche. Der CDU-Abgeordnete Lamers verteidigte G 8 unter Hinweis auf den europäischen Vergleich. Bei der Umsetzung sei noch einiges zu tun, bereits gesammelte Erfahrungen müssten in die Weiterentwicklung gesteckt werden.
Auch bei den Studiengebühren wurden die unterschiedlichen Positionen der Parteien deutlich. Als „eine Form der sozialen Auslese“ lehnte sie Binding ab, Lamers widersprach und verwies beispielsweise auf die Familienkomponente und zinsgünstige Darlehen. Wie er unterstrich auch seine FDP-Kollegin Reinemund, die Gebühren brächten mehr Qualität in der Lehre und komme den Studenten unmittelbar zugute. „Die siebtgrößte Industrienation der Welt muss Geld für die Bildung haben, sonst versündigt sie sich an der Jugend“, forderte Sckerl kostenlose Ausbildung für alle.
Von Lars Bischoff kritisch auf Staatshilfen für Unternehmen wie Opel angesprochen, erklärten Lamers und Binding übereinstimmend, dass dies eine Ausnahme sein müsse, in der gegenwärtigen Krise aber gerechtfertigt sei. Im Kampf gegen die Armut setzt Lamers auf die Sicherung von Arbeitsplätzen und eine noch weiter verbesserte Familienförderung. Sinkende Reallöhne machte Binding als Hauptursache für Armut aus. Wenigstens die schlimmsten Auswüchse müssten beseitigt werden, forderte Sckerl. Reinemund erneuerte die FDP-Forderung nach einem unbürokratischen Bürgergeld für alle.
„Die Diskussion war sehr lebendig“, sagte Yannick Zirnstein aus der 12. Klasse anschließend dem „MM“. „Schon recht interessant“ fand seine Jahrgangskollegin Sabrina Mathies die Aussprache: „Da hat es klare Ansagen gegeben.“ Beide bedauerten, dass die Zeit nicht ausgereicht habe. Eine positive Bilanz der von Schülern vorbereiteten Diskussion zog Schulleiter Matthias Nortmeyer: „Wir legen außerordentlichen Wert darauf, unsere Schüler zu mündigen Staatsbürgern zu erziehen.“