„Späteinsteigerin“ ist für Birgit Reinemund eine positive Bezeichnung. „Es ist gut, wenn Politiker auch in anderen Berufen Erfahrung haben“, findet die Bundestagskandidatin der FDP, die erst vor sieben Jahren ihrer Partei beitrat. Erfahrung hat die 50-Jährige – als Tierärztin und als Geschäftsführerin. Und deshalb kennt sie sich auch gut mit Steuern aus.
Ihre Partei will Schulden abbauen und gleichzeitig Steuern senken. Wie soll das gehen?
Birgit Reinemund: Voraussetzung für einen soliden Haushalt ist ein Wirtschaftsaufschwung. Das heißt, alle Maßnahmen, die das fördern, helfen im zweiten Schritt auch, Schulden abbauen zu können. Deshalb müssen wir zunächst die Gesamtwirtschaft entlasten – die kleinen und mittleren Betriebe genauso wie die Arbeitnehmer.
Der Mittelstand liegt ihnen als Geschäftsführerin einer kleinen Firma besonders am Herzen. Wie soll seine Entlastung aussehen?
Reinemund: Der Mittelstand leidet zum einen unter zu viel Bürokratie. Die müssen wir abbauen und zum Beispiel Genehmigungsverfahren beschleunigen. Zum anderen leidet er unter einer extremen Belastung – nicht nur durch Steuern, sondern auch durch Lohnnebenkosten. Die gilt es zu senken.
Die Unternehmenssteuerreform muss Ihnen da ein besonderer Dorn im Auge sein…
Reinemund: Diese Reform der Großen Koalition entlastet Konzerne auf Kosten kleiner und mittlerer Unternehmen. Jetzt werden nicht nur Einnahmen, sondern auch Ausgaben besteuert wie Kreditzinsen, Leasingraten oder Gewerbemieten. Nehmen Sie ein Schuhgeschäft auf den Planken – was da allein an Miete anfällt! Die kann jetzt nicht mehr als Betriebskosten abgesetzt, sondern muss versteuert werden. Vom Mittelstand lebt unser Land. Seinetwegen sind wir – etwa im Vergleich zu Großbritannien – gut durch die Wirtschaftskrise gekommen.
Welche Konsequenzen ziehen die Liberalen aus dieser Krise, bei der mit dem oft gepriesenen Markt irgendwas nicht funktioniert hat?
Reinemund: Nicht der Markt hat versagt, sondern der Staat, sprich die Kontrollmechanismen und deren oberster Dienstherr, Herr Steinbrück. 2002 hatte Rot-Grün die heute geltenden Finanzmarktgesetze auf den Weg gebracht, da hätte Einiges besser durchdacht sein müssen. Da wurden Hedgefonds erstmals möglich, ohne dass Transparenz und Kontrolle eingebaut wurden. Auch die zweigleisige Bankenaufsicht durch BaFin und Bundesbank stammt aus dieser Zeit. Schon damals haben die Liberalen gefordert, das müsse in eine Hand.
Keiner weiß, wann der Aufschwung kommt, doch schon jetzt haben Bund, Land und Kommunen zu wenig Geld, um ihren Aufgaben nachkommen. Wie wollen Sie das lösen?
Reinemund: Wir haben jedes Jahr mehr Steuereinnahmen als im Schnitt in den Vorjahren, nur eben weniger als für das jeweilige Jahr prognostiziert wurde. Das Problem sind also nicht geringere Einnahmen, sondern dass die Ausgaben unverhältnismäßig steigen. Es wird viel an den falschen Stellen ausgegeben und viel verschwendet.
Wo würden Sie sparen?
Reinemund: Wir haben einen Katalog mit 400 Vorschlägen vorgelegt. In Berlin hat die Großen Koalition zum Beispiel jede Menge Stabsstellen aufgebaut, die Kosten verursachen. Der Gesundheitsfonds verschlingt allein im nächsten Jahr zwölf Milliarden für Bürokratie. Aber ich will ihnen jetzt nicht alle 400 Punkte runterbeten…
Ihre Chancen stehen gut, über die Landesliste in den Bundestag zu kommen. Welche Entscheidung einer erwarteten CDU/FDP-Koalition würde Mannheim helfen?
Reinemund: Die Kommunen haben sehr viele Lasten zu tragen, ich nenne nur den Ausbau der Kinderbetreuung. Wir müssen über die Finanzierung der Kommunen neu nachdenken. Die Einnahmen über die sehr konjunkturabhängige Gewerbesteuer werden nicht reichen. Stattdessen brauchen sie mehr Anteile an der konstanteren Einkommenssteuer oder der Mehrwertsteuer.