„Boulevard“-Plan birgt Brisanz

Kaiserring: Parteien uneins über Entwürfe

„Boulevard Kaiserring“ – das klingt weltoffen und weiträumig, ein bisschen nach Champs Elysées und Unter den Linden. Und in der Tat verfolgt die Verwaltung derzeit Planungen, die den Ring nicht mehr als reinen Verkehrs- und Transitweg begreifen, sondern als Aufenthaltsraum, an dessen Seiten- und Mittelzonen Platz ist für Grün, fürs Flanieren und Verweilen. In einem Zug möchten die Planer dabei auch die Lücke Kaiserring im Radwegnetz der Stadt schließen, den verschiedenen Verkehren dort – Schiene, Straße, Rad- und Gehwege – Räume zuweisen und diese ordnen. 22 000 Quadratmeter groß ist die Fläche, die man umstrukturieren will, Kosten: rund neun Millionen Euro. Heute berät der Ausschuss für Umwelt und Technik die Konzepte, und schon jetzt zeichnet sich ab, dass das Thema politisch mehr Brisanz birgt, als auf den ersten Blick zu vermuten. Es geht um mehr als nur um Flächenplanung, um ein paar Bäume und breitere Gehsteige. Heißt doch die Gretchenfrage hier: Wie hält es die Stadt mit dem Verkehr, hat das Auto weiterhin Vorfahrt, oder treten künftig andere Transportmittel mehr in den Vordergrund? Denn wenn der Kaiserring Boulevard-Charakter gewinnen soll, dann muss der Raum dafür irgendwo herkommen, sprich: anders verteilt werden. In den Entwürfen sind die Fahrspuren die Manövriermasse, konkret: die Abbiegespur in Richtung M/N-Quadrate (vom Wasserturm kommend), die Geradeausspur zum Hauptbahnhof an der Kreuzung Bismarckstraße/Kaiserring und (in Gegenrichtung) der Rechtsabbieger zum Wasserturm vor dem Maritim-Hotel. Sie fielen, grob gesagt, zumindest teilweise Radwegen und breiteren Bürgersteigen zum Opfer. Aufwertung „grundsätzlich gut“ Während sich eigentlich alle Parteien mit dem grundsätzlichen Gedanken – Aufwertung des Kaiserrings als wichtiges Entrée zur Stadt hin zum Boulevard – anfreunden können, scheiden sich im Detail freilich die Geister. Wo sich Sozialdemokraten und Grüne – von uns befragt: SPD-Fraktionschef Ralf Eisenhauer und Grüne-Stadtrat Wolfgang Raufelder – klar zu den Plänen und zum Lückenschluss im Radwegnetz bekennen, die auch schon mit Bürgern diskutiert und von diesen begrüßt worden seien, haben CDU, ML und FDP mehr oder weniger starke Vorbehalte, was die Leistungsfähigkeit der neuen Verkehrsführungen angeht. Für Volker Beisel (FDP) ist der Entwurf ein Versuch zur „Quadratur des Kreises“: „Eine Hauptverkehrsachse mit über 50 000 Fahrzeugen pro Tag mit der schönen Idee des Boulevards zu vereinen, ist meines Erachtens schwierig bis unmöglich“. Christopher Probst, der stellvertretende Vorsitzende der Mannheimer Liste, sieht das ähnlich, neben den zurückzubauenden Fahrspuren hat er den geplanten ebenerdigen Fußgängerüberweg über die Reichskanzler-Müller-Straße auf der östlichen Seite des Planareals und den damit verbundenen Wegfall des Linksabbiegers dort in Richtung Bahnhofstiefgarage als „Knackpunkt“ ausgemacht: „Das bedeutet Staus auf dem Ring“. Konrad Schlichter von der CDU hat ebenfalls noch eine „Menge unbeantworteter Fragen“ an die Verkehrsplaner. Dass gegenwärtig in allen Verkehrsplanungen der Stadt Radwege Vorrang hätten, hält er für „zu kurz gedacht“. Es bleibe jedenfalls viel Beratungsbedarf – „aber dafür ist ja Zeit, schließlich gibt es noch nicht einmal mittelfristig Geld für den ‚Boulevard Kaiserring'“.

 

Mannheimer Morgen, 24.01.2012