Vetter-Ehrenbürgerschaft: Stadträte mehrheitlich gegen Aberkennung der Ehrenbürgerschaft für Vetter / „Wir haben nicht gefragt“
Von unserem Redaktionsmitglied Peter W. Ragge / © Mannheimer Morgen, Mittwoch, 17.04.2013
In einer sehr ernsthaft geführten, ausführlichen Debatte haben sich die Stadträte gestern im Hauptausschuss mit den Folgen der Arisierungs-Studie auseinandergesetzt. Eine Entscheidung soll erst in der Gemeinderatssitzung am 30. April fallen. Doch gestern zeichnete sich eine breite Mehrheit dafür ab, dem Mäzen Heinrich Vetter die Ehrenbürgerwürde nicht abzuerkennen – aber an nach ihm benannten Wegen oder Sälen per Zusatzschild darauf hinzuweisen, dass sein Vermögen während der Nazi-Diktatur „auch aus acht zwischen 1934 und 1938 arisierten jüdischen Unternehmen und Grundstücken“ erwuchs.
Vetter sei – wie die Stadtverwaltung selbst – Profiteur der Arisierung gewesen, stellte Erster Bürgermeister Christian Specht fest, der den erkrankten Oberbürgermeister vertrat. „Wir haben mit der Ehrenbürgerwürde die Gesamtpersönlichkeit ausgezeichnet, und die war nicht so verstrickt, dass es im Verhältnis zu ihren Verdiensten eine Aberkennung rechtfertigen würde“, erklärte Specht. „Wir sollten die Vergangenheit nicht tilgen, sondern sie ins Bewusstsein holen“, meinte er und bezeichnete die Schilder als „immerwährenden Stolperstein“. Er räumte ein, dass sich die Stadt vor Verleihung der Ehrenbürgerwürde nicht genug mit der Vergangenheit auseinandersetzte: „Wir hätten mehr wissen können, wenn wir danach gefragt hätten, aber wir haben nicht gefragt, dem müssen wir uns stellen“.
„Nicht ehrenhaft“
„Mangelhafte Nachfragen auch meinerseits“ räumte Stadtarchivdirektor Dr. Ulrich Nieß ein – eine Offenheit, die ihm später Komplimente von Stadträten einbrachte. Er unterbreitete dem Ausschuss einige Ideen für eine „Erinnerungskultur“. Vetter sei „aktiver Opportunist“, aber „nicht böswillig“ gewesen und habe nach dem Krieg umfangreich und schnell Entschädigungen gezahlt. Nun müssten die Stadträte entscheiden, ob sie die Ehrenbürgerwürde „als Ballast sehen und abwerfen“ oder aber „das ungewöhnliche Mäzenatentum“ Vetters weiter anerkennen, jedoch mit einem Schild als „Stolperstein“ verbinden wollten.
„Nicht vorschnell entscheiden“ und sich „nicht auf eine Person fokussieren“ wollte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Gabriele Thirion-Brenneisen. Vielmehr müsse man alle Fälle unrechtmäßiger Bereicherung zur Nazi-Zeit transparent machen und diskutieren. Das brauche noch Zeit, meinte sie.
Alle anderen Redner signalisierten Einverständnis mit dem Kurs des Rathauses. „Wir können sehr gut mit der Vorlage leben“, sagte CDU-Fraktionschef Carsten Südmersen. Eine Aberkennung der Ehrenbürgerwürde wäre „ahistorisch“. Vetter habe von dem Unrechtsstaat profitiert, aber sich danach als Mäzen und Wohltäter „hohe Verdienste erworben, und wir müssen nicht in Scham versinken, wenn wir das würdigen, aber uns eben der Vergangenheit offensiv stellen“, so Südmersen.
„Mit einer Plakette ist mehr Erinnerungsarbeit erreicht, als wenn wir den Namen vergessen und löschen“, bekräftigte Dr. Elke Wormer (FDP). Von einer „adäquaten Lösung, die Person wie auch ihre Verfehlungen zu würdigen“ sprach Prof. Dr. Achim Weizel (ML), während Thomas Trüper (Linke) eine noch schärfere Formulierung forderte.
„Diese Ehrenbürgerwürde ist für uns als Gemeinderat und die Bürgerschaft nicht ehrenhaft“, meinte SPD-Fraktionschef Ralf Eisenhauer, „denn die Arisierung war bekannt, man hat die persönliche Verstrickung nicht beachtet oder nicht beachten wollen“, warf er früheren Amtsträgern vor. Nun dürfe man das Geschehen nicht verharmlosen, sondern die ganze Stadt müsse sich der schmerzhaften Aufarbeitung stellen, „statt einfach mit einer Aberkennung das kollektive Gewissen zu beruhigen“. Rolf Götz (SPD) bekannte, ihm sei „als Sozialdemokrat und Gewerkschafter nicht leicht gefallen, diesen Weg mitzugehen“. Nun sollten sich aber auch andere Firmen und Vereine „ihrer Vergangenheit stellen“, forderte er.