Parade: Mehr als 40 Gruppen ziehen beim CSD durch die Innenstadt / Straßenfest zum Abschluss erstmals im Ehrenhof
Von unserem Redaktionsmitglied Fabian Busch / © Mannheimer Morgen, Montag, 12.08.2013
Manche haben noch die Einkaufstüten in der Hand, andere haben sich extra in Schale geworfen. Wer hier zufällig vorbeikommt und wer sich schon monatelang auf den Trubel gefreut hat, ist beim Christopher Street Day schlecht auszumachen. Sicher ist aber: So bunt wie das Feld der rund 500 Parade-Teilnehmer, die für die Rechte von Schwulen, Lesben und Transsexuellen demonstrieren, ist auch die Masse der Besucher. Da sind Männer in Badehose und Frauen im Sonntagskleid, ältere Herren in Sandalen und junge Mädchen mit Kopftuch.
85 000 Menschen haben die Parade zum CSD Rhein-Neckar am Samstag durch die Mannheimer Innenstadt verfolgt, erklärt der Vorsitzende des gleichnamigen Vereins, Harald Blaull. Bei der Polizei schätzt man, dass es rund 80 000 Zuschauer gewesen sein könnten, spricht aber offiziell einfach von „mehreren Zehntausend“. Wer hier einfach nur aus dem Geschäft komme und wer gezielt zuschaue, sei eben nicht immer auszumachen.
Heidi und Günther Mink gehören zu denen, die extra gekommen sind, um sich die Parade anzuschauen. Das Ehepaar aus Ludwigshafen wartet am Neckartor auf den Start des Umzugs. „Ich find’s einfach schön“, sagt Heidi Mink, „ist doch toll, wenn die sich hier so zeigen. Viele können das im Alltag ja nicht.“ Und ihr Mann ergänzt: „Wenn sonst eine so große Veranstaltung stattfindet, gibt’s meistens irgendwann Stunk. Nur hier nicht, da ist es immer friedlich. Das ist das A und O.“
Mehr als 40 Gruppen im Zug
41 teilnehmende Gruppen verzeichnet die Parade – so viele wie noch nie, seit der Verein CSD Rhein-Neckar das Spektakel organisiert. So bunt der CSD ist, so unterschiedlich sind auch die Motive der Teilnehmer und Zuschauer. SPD, Grüne, FDP, Piraten und Linke beschallen die Straßen mit tanzbarer Musik und bringen dabei gleich noch ihre politischen Botschaften unters Volk. Mal geht es laut zu, mal eher leise. Die einen haben an diesem Tag offensichtlich einfach Lust, zu tanzen oder ein Foto von den Travestiekünstlern zu schießen, die anderen haben ein ganz ernstes Anliegen. Etwa die Mitglieder von „ILSE“, der „Initiative lesbischer und schwuler Eltern“, die als Teil der Parade durch die Innenstadt zieht, auf Musik verzichtet, dafür Flyer verteilt. Wieder andere haben den CSD offenbar auch für Werbezwecke entdeckt. Die Möbelhauskette Ikea zum Beispiel ist die Nummer zwei der Parade. Junge, gut aussehende Menschen verteilen Blumen und verkünden den Slogan „Leb wie du willst“.
Seit einigen Jahren lautet das Motto, dass der CSD wieder politischer sein soll. Schließlich ist der bunte Zug durch die Stadt offiziell immer noch eine Demonstration. Die homosexuellenfeindliche Politik in Russland ist ein wichtiges Thema. Zur Auftaktkundgebung am Neckartor fordern Redner wie die baden-württembergische Landtagsvizepräsidentin Brigitte Lösch (Grüne) und der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs aber auch die weitere Gleichstellung der homosexuellen Lebenspartnerschaft mit der Ehe in Deutschland.
„Kampf muss weitergehen“
Die meisten Hälse recken sich nach der Grünen-Bundesvorsitzenden Claudia Roth, die viele im Teilnehmerfeld einfach nur „die Claudia“ nennen. Im bunten Dirndl winkt und lacht sie den Menschenmassen zu und ist begeistert, wie viele Migranten beim Mannheimer CSD sowohl unter den Teilnehmer als auch unter den Zuschauern sind. „Mannheim hat mal wieder gezeigt, dass wir was auf die Beine stellen können“, sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Gerhard Schick im Ehrenhof, wo sich die Parade auflöst und in das Straßenfest übergeht.
Der große Vorplatz des Schlosses steht an diesem Tag erstmals für die Veranstaltung zu Verfügung. „Und genau da gehören wir hin, in die Mitte der Stadt“, ruft Schick bei der Abschlusskundgebung. Haben Schwule und Lesben also alle Ziele erreicht? „Der Kampf in der Gesellschaft muss weitergehen“, sagt FDP-Fraktionschef Volker Beisel in seiner Ansprache. „Die Gesellschaft muss sich weiter öffnen, auch wenn wir rechtlich schon fast alles erreicht haben.“